Mit einem "Spider" -
Trike von der Adria nach England
England Sommer 1995 von Viktor Wyklicky
Geplant war ein Flug von Ajdovscina (Slowenien) nördlich von
Triest nach Oxford (England) zur UL-Europameisterschaft. Ausgestattet mit einer
Fülle von Informationen über Flugplätze mit Zoll und Flugverfahren über den
Kanal fuhr ich am Donnerstag Abend Richtung Slowenien ab. Im Gepäck waren neben
den neuesten Flugkarten für die verschiedenen Länder auch
sicherheitsrelevantes Zubehör, das sonst nicht zur Standartausrüstung für
Ultraleichtflugzeuge gehört. Neben dem obligatorischen Fallschirm für das
Fluggerät, waren zwei Schwimmwesten für die Kanalüberquerung dabei. Wichtig
für das Fliegen in Österreich ist ein Notfunksender, der im Zweifelsfall das
Lokalisieren des Fliegers beschleunigt. Und nicht zu vergessen ist das GPS, was
aber schon bei jedem zweiten Ultraleichtpiloten zu finden ist. Es wurde jedoch
nur in Ausnahmefällen, wie z.B. bei der Kanalüberquerung eingesetzt. Ansonsten
lief die Navigation "stink"-normal mit der Karte und deren
Auffanglinien ab, als Training für das Fliegen bei der EM. Hier sind GPS und
andere Funknavigationshilfen nicht erlaubt.
Adria - England Tour (Details: Auf die Grafik klicken)
Die letzten Wetterneuigkeiten von MET München verhießen
jedenfalls für die erste große Etappe, die Alpenüberquerung, nur Gutes.
Jedoch in Slowenien angekommen, wurde ich schon auf den Boden der Tatsachen
zurückgeholt. Die Bora, ein unter Adriaseglern beliebter Wind war am Flugplatz
in Ajdovscina aktiv. Nachdem der Freitag noch mit dem technischen Aufrüsten des
Fliegers überbrückt werden konnte, war am Samstag erst mal Warten angesagt. Da
es sich jedoch um einen regional begrenzten Wind handelte, entschloß ich mich
am Abend, die erste Etappe Richtung Ljubljana zu versuchen. Eine Cessna, welche
zwei Photoflüge wagte, fungierte als Testobjekt. Sie meldete, daß 20 km
westlich der Wind ein gefahrloses Einfliegen in die Bergregion Richtung Norden
ermöglichte. Zielflugplatz war zum Übernachten der Segelflugplatz Lesce/Bled,
den ich kurz vor Sonnenuntergang und Windstille erreichte.
Flugplatz Lesce/Bled
Durch seine alpine
Lage ist er eine slowenische Hochburg für Segelflieger und Fallschirmspringer,
der durch seine verkehrsgünstige Lage (30 km hinter dem Karawankentunnel) gern
von deutschen Piloten als Urlaubscamp genutzt wird.
Ljubljana
International
Der nächste Tag war von frühem Aufstehen gekennzeichnet,
den das Wetter auf der Alpennordseite erwartete am Abend eine Gewitterstörung.
So ging es um kurz nach sieben Uhr in der Früh nach Ljubljana International,
den ich schon vor zwei Jahren bei meiner Alpenüberquerung Richtung Tschechien
nutzte. Neben Flugplanaufgabe und Zollkontrolle wurde noch einmal das Wetter
überprüft, und so ging es noch mit Morgenstimmung Richtung Nordwesten dem
Karawanken entgegen. Die ersten knapp 6000 Fuß waren überwunden, da ging es
schon wieder hinab Richtung Villach und der Tauernautobahn entlang Richtung Hohe
Tauern. Dem Maltatal folgend verließ ich die Autobahn um direkt nach Badgastein,
östlich am 3246 m hohen Ankogel vorbei zu fliegen. Dicke Quellwolken
versperrten den Blick Richtung Großglocknermassiv. Einige Wolkenfetzen setzten
sich zwar zum Tal hin ab, versperrten den Weg über die Arlscharte (7411 Fuß)
jedoch nicht.
Zell am See
Pistenneubau
Auf dem Flugplatz Zell am See ging es unter den Augen vieler
neugieriger Zaungäste zum Tanken. Der Motor war noch nicht gut abgestimmt und
so liefen für die 250 km doch 35 Liter Sprit in den Tank. Noch das Zweitaktöl
dazu, die Formalitäten erledigt und gleich gings weiter Richtung Nordwesten.
Obwohl die Sonne nicht mehr ganz die hohe Wolkendecke durchstechen konnte, war
ein problemloses Ausfliegen aus den Alpen Richtung Norden gegeben und die
nächsten Kilometer bis Kempten waren von gedämpften Sonnenlicht begleitet. Mit
einer Ausnahmegenehmigung vom Luftamt konnte ich dort meinen Zoll machen und
nach dem Tanken die letzte Etappe für diesen Tag bestreiten. Kurz vor meinem
Tagesziel hat mich dann doch ein Regenschauer heimgesucht, und die
Abschlußlandung vermiest. Das war jedoch das kleinste Problem, ich war zu Hause
und konnte meine Sachen in der ganzen Wohnung verteilt trocknen lassen.
Die Meteorologen hatten für den nächsten Abend
Wetterbesserung versprochen und so ging es am frühen Nachmittag gut verpackt
nach Erbach bei Ulm. Ein kräftiger Regenschauer testete dabei meine Kleidung,
was jedoch aufgrund der Lufttrocknung schnell wieder vergessen war. Einem
weiteren Test wurde ich nördlich von Stuttgart unterzogen nachdem die
schwäbische Alb wieder Erwarten ohne große Sichtprobleme überwunden wurde.
Und jetzt ab Stuttgart brauche ich zum Wetter fast nichts mehr zu sagen, wie aus
dem Bilderbuch bis nach England. Leichter bis mäßiger Nordostwind
unterstützen das Weiterfliegen. Und so setzte ich bei Abendstimmung am Fuße
des Pfälzer Waldes in Schweighofen auf. Das Begleitfahrzeug, ein Camper, war
erst am Abend in München gestartet und wurde kurz vor Mitternacht am Flugplatz
erwartet.
Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es dann doppelsitzig
weiter über den Pfälzer Wald nach Pirmasens. Dort war nur noch etwas
nachtanken und die Flugplanaufgabe angesagt, denn im vereinigten Europa bestehen
nur noch die Franzosen auf dem Anfliegen eines Zollflugplatzes. Unser nächstes
Ziel aber war der Flugplatz Wiltz in Nordluxemburg. Die Landung auf dem
Grasplatz, der auch intensiv von Fallschirmspringern genutzt wurde, war etwas
besonderes. Die zwei an der Landebahn befindlichen Windsäcke standen 90°
zueinander, so daß man sich die Landerichtung raussuchen konnte. Jedoch liegt
die eine Hälfte des Platzes in einer Waldschneise und die zweite Hälfte frei
auf dem schmalen Bergrücken. Entsprechen stark wurden wir bei der Landung durch
die Verwirbelungen gebeutelt.
Nach ausgiebiger Kaffeepause, dem obligaten Stempel fürs
Flugbuch und neuem Flugplan gings weiter Richtung Belgien nach Namur. Dies war
kein "navigatorisches Highlight", den einer Autobahn entlang ging es
direkt nach Namur. Hier wurde ich von der regen Betriebsamkeit überrascht, den
auch in Belgien, wie in Teilen Deutschlands war Feiertag. Neben dem normalen
Flugbetrieb waren die Segelflieger zu Gange und laufend entdeckte man neue
Trauben von Fallschirmspringern. Nachdem ich mich eine Woche zuvor telefonisch
angekündigt hatte war die Überraschung groß, da der Flugplatz für UL nicht
zugelassen sei. Aber die Belgier waren sehr unkompliziert und nachdem sie mir
genau erklärten, daß 10 km nördlich ein reiner UL Platz zu finden war,
bekamen wir auch unseren in der Landegebühr enthaltenen kostenlosen
Begrüßungstrunk. Das Begleitfahrzeug hatte sich inzwischen auch eingefunden
und wurde über die aktuelle Änderung unterrichtet.
Frühstück
Liernu
Der UL Platz Liernu ist ein großes Zentrum der UL Flieger in
Belgien. Drei große Hallen, Restaurant und Büro der Flugschule präsentieren
sich auf der gepflegten 300 m Grasbahn. Und wer mit dem Auto kommt erreicht den
Platz ganz einfach über die E 411 Sortie n°12 Eghezee (Tel 0032/81/656788).
Unterstellen, Tanken und sonstige Versorgung kein Problem, unser Camper war fast
überflüssig. Das war am nächsten Morgen, ein normaler Arbeitstag natürlich
etwas anderes.
beleuchtete Autobahnen in Belgien
Die belgischen UL-Piloten hatten uns als nächste Etappe den
Platz bei Amougies im Westen Belgiens empfohlen. Der Platz mit
Landebahnbefeuerung ist die ganze Woche geöffnet und UL's sind dort willkommen.
Er kommt einem so vor, wie die Vorboten einer Flink Community, großzügig
angelegt, obwohl nur mit Graspiste, aber großem Teich mit Springbrunnen,
Schwimmbad, kleines exklusives Restaurant und Werkstattbereich. Der Flugplan
nach Calais wurde wieder telefonisch aufgegeben und diesmal war wieder ein
Zollflugplatz mit Kontrollzone das erklärte Ziel. Nach dem Start wurde erst
einmal die Kontrollzone von Lille etwas weiter als geplant umflogen. In dem
dicht besiedelte Gebiet war es schwer zu navigieren und so wurde
sicherheitshalber das GPS nach dem richtigen Weg befragt. Der Funkkontakt zu
Calais Tower verlief mit meinem Handfunkgerät und abgesetzter Antenne
reibungslos. Auf dem Vorfeld war wenig geboten, eine belgische Cessna war der
einzige Gast und so verlor sich unser Trike fast auf dem riesigen Gelände. Nach
Rücksprache mit dem Tower parkten wir danach unser Fluggerät für die Nacht
doch lieber in der Wiese. Bei der folgenden Episode war wohl preußisches
Beamtentum Pate gestanden: Wir erklärten der Flugleitung, daß wir eine Nacht
mit unserem Camper hier bleiben wollten. Die französische Polizei sieht es hier
nicht gern, wenn auf öffentlichem Grund campiert wird, der Parkplatz vor dem
Flughafen ist aber öffentlicher Grund. Das Flughafengelände selbst ist
eingezäunt, da es sich um Zollgrund handelt, was aber trifft wiederum nur auf
den Flieger zu, nicht aber auf den Camper. Aber die Franzosen sind um keine
Ausrede verlegen, nämlich der Grünstreifen vor der Absperrung ist noch
Flughafengelände, d.h. kein öffentlicher und kein Zollgrund, und so campierten
wir quasi im rechtsfreien Raum.
Abflug Calais
Am nächsten Tag war es also so weit. Die Kanalüberquerung
stand auf der Tagesliste, das Highlight des gesamten Trips. Die
Begleitfahrzeuge, inzwischen war das zweite Spider-Trike per Auto eingetroffen,
waren auf dem Weg zur Fähre. Das Wetter war gut, nur einige Dunstwolken
versperrten größere Sichten. Nachdem die Fluggeräte nochmals geprüft waren
gings zur Flugplanaufgabe. Der Towerlotse wies uns nochmals in den Ablauf der
Kanalüberquerung ein, Frequenzen wurden notiert und die Meldepunkte abgestimmt.
Nach den Zollformalitäten ging es an das Anlegen der Sicherheitsausrüstung.
Schwimmwesten machten den bereits mit Funkgerät und Karte gut ausgestatteten
Piloten zum eingeschränkt beweglichen Mondmenschen. Der Copilot bekam das
Notfunkgerät und die Dokumentationsausrüstung, sprich Fotoapparat verpaßt.
Und ab gings zum Start natürlich auf Asphalt. Noch mußten wir auf eine
landende Cessna warten, die wir erst nur über Funk vernahmen, aber dann im
hellen grau des Himmels auftauchte. Dann kam das grüne Licht über Funk, "Clear
for Take Off" für die zwei Trikes.
Kanalfähre Hafen
Nach der 180° Kurve waren wir auch
schon an der Küste und flogen auf die Abfertigungsanlagen für die
Englandfähren von Calais zu.
Calais Hooverstation
Gerade auf Höhe der Hooveranlegeplattform
erkannte man wie eines der "Flugboote" zu andocken heranpreschte.
Rundherum war die weiße Gischt des aufgewühlten Wassers zu sehen. Über den
konventionellen Docks war alles auf Massenabfertigung ausgelegt. Die eigene
Umgehungsautobahn mündet direkt in die verschiedenen Parkstreifen der diversen
Fährgesellschaften. Ein ständiges Kommen und Gehen war zu beobachten. Dahinter
begann der Sandstrand von Calais. Einige wenige Strandsegler tummelten sich auf
dem breiten endlos langen Band zwischen Meer und Grün. Jetzt war es Zeit 90°
nach Norden abzudrehen und das Verlassen der Küste über Funk zu melden. Wir
nahmen Kurs auf die im Kanal befindlichen Fähren, genau das was unser GPS auch
vorschlug. Noch konnte der Kreidefelsen von Dover nicht erahnt werden, aber die
Schiffe unter einem ließen keine Zweifel aufkommen, da vorn liegt irgend wo
England. Mit 1500 Fuß über Kanal-QNH war Zeit für einige Fotos. Als wir uns
so der Kanalmitte näherten Entstieg dem Dunst so langsam die gegenüberliegende
Küste. Nach dem Frequenzwechsel zu Manston Tower konnte man noch lang auf die
Französische Küste zurück blicken. Der Spuk über dem Wasser dauerte kaum
eine halbe Stunde, dann hatte man wieder festen Boden unter seinem Luftpolster.
Der weitere Flug nach Lashenden/Headcorn war da nur noch Routine. Aber einen
solchen Flug zu beschreiben - berauschend -, man muß es einfach miterlebt
haben.
Ja und jetzt zu England, es ist ein ganz eigenes Land. Wir
haben es uns viel sattgrüner vorgestellt, aber eine ungewöhnliche Trockenheit
und Hitzeperiode lag über der Insel. Was einem bald auffällt sind die vielen
Golfplätze, wo zumindest das "Grün" zu einlochen noch seinem Namen
alle Ehre machte. Den vielen kleine Ortschaften sieht man an, daß sie schon
einige Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, einer etwas anderen Witterung
standgehalten haben.
Englisches Schloss
Große Neubausilos fallen einem nicht auf, dafür aber
viele mittlere zum Teil recht gepflegte Herrenhäuser vor den Toren der
Gemeinden oder an exponierten Plätzen, Swimmingpool und Tennisplatz
inbegriffen.
Flugbegeisterter Bauer bei London
Wir flogen an diesem Tag noch zu einem UL-Platz Namens
Plaistows im Norden von London, 100 km vom Austragungsort der
Europameisterschaften entfernt. Er liegt direkt am Autobahnring um London,
welchen wir nach Westen folgten. Jedoch ist das Stadtgebiet so groß, daß man
das Zentrum im Dunst/Smog nur erahnen kann, geschweige den Big Ben oder die
Tower Bridge zu erkennen. Der letzte Tag der Anreise war dann noch mal so
richtig zum Einstimmen auf das Gelände, in dem sich in den nächsten 7 Tagen
die Meisterschaften abspielen sollten.
Airbase zweckentfremdet
Eine Besonderheit sind hier die
unzähligen aufgelassenen ehemaligen Militärplätze aus dem 2. Weltkrieg. Alle
nach dem selben Muster, mit im Dreieck angelegten betonierten Pisten für die
verschiedenen Windrichtungen.
Nach über 23 Stunden in der Luft und 1650 km erreichten wir
den ehemaligen Standort der Red Arrows in Little Rissington. Die sieben Tage,
die ich mir dafür Zeit gelassen habe waren gerade recht, um nicht von der Flut
der Eindrücke erdrückt zu werden.
Kreidefelsen Dover
Nach erfolgreicher Teilnahme an der Meisterschaft ging es
diesmal im Süden von London zurück über Lashenden nach Calais aufs Festland.
Der kräftige Rückenwind hart an den Betriebsgrenzen des Fluggeräts schob uns
weiter bis nach Arras südlich von Lille. Der nächste Tag brachte den ersten
Regen seit mehr als zwei Wochen. Am Abend war nochmals ein Flug bei Sonnenschein
via Sedan bis ins Elsaß möglich. Dann wars aber endgültig vorbei mit dem bis
dahin fast trockenen Flugvergnügen. Ich mogelte mich zwar noch zwischen den
Regenschauern in drei Etappen bis nach Jesenwang bei München durch, aber auch
der kräftige Rückenwind, der mir bis dahin eine Einsparung von über 5 Stunden
gegenüber dem Hinflug brachte, konnte nichts daran ändern, daß hier erst mal
endgültig Schuß war. Eine Zwangspause von 12 Tagen war angesagt bis der MET in
München eine sichere Überquerung der Alpen versprach.
Alpenkette bei Bad Gastein
Das Warten hatte sich
geloht, denn der Flug mit einer eigenen Zollerlaubnis von Jesenwang nach Zell
und weiter nach Ljubljana war wieder einer dieser unbeschreiblichen
"Augenblicke" (5 Stunden), die einen für so manchen Regenschauer
entschädigen. Bei leichtem Föhn waren die Hohen Tauern ein ebenso
beeindruckendes Erlebnis, wie der Flug in der Abendstimmung Richtung Golf von
Triest. Und da verkümmert der für UL-Verhältnisse doch etwas teure Anflug auf
Ljubljana International mit 42,- DM fast zur Nebensache.
So endete mein Europaflug nach drei Wochen mit 55 Flugstunden
und 4000 km wohlbehalten an meinem Ausgangspunkt. Zeigt dieser Flug nicht nur,
daß man in nur 5 Tagen 7 Länder ankratzen kann, sondern daß die heutigen
Serientrikes, wie mein "Spider", ein Luftwandern auch über so
ausgefallenen Hindernissen, wie dem Kanal oder den Alpen ohne technische
Ausfälle ermöglichen.