Kreuz und quer im Osten
Deutschlands
unterwegs
Ostdeutschland Sommer 1997 von Viktor Wyklicky
Flugroute im Osten Deutschlands (Details: Auf die Grafik klicken)
Ganz so planlos, wie der Titel sich anhört waren wir natürlich nicht im Osten Deutschlands unterwegs. Wir, das sind ein Spider-Trike aus Ippesheim bei Würzburg und ein TwinRacer aus Weser-Wümme bei Bremen. Unsere grobe Vorstellung des Fluges war, zuerst einmal an die Ostseeküste, dann an der polnischen Grenze nach Süden, um anschließend an der Deutsche Meisterschaft in Sonnen bei Passau teilzunehmen. Genauere Planungen im Vorfeld durchzuführen, hatten sich schon bei früheren Reisen als ziemlich aussichtslos und einengend herausgestellt. Zum Einen spielt das Wetter und der Wind ständig einen Streich und zum Anderen kann man schlecht auf die Empfehlungen von den vor Ort ansässigen UL-Piloten eingehen.
Zur Ausrüstung ist anzumerken, daß wir zwar ein kleines Zweimann-Zelt mitführten, dies aber eigentlich mehr als Notnagel ansahen. In den meisten Fällen konnten wir in der unmittelbaren Umgebung recht preiswerte Unterkünfte beziehen. Ansonsten waren einige Dosen Zweitaktöl gebunkert und natürlich die kräftigen Erdanker, da es nicht nur an der Ostseeküste mit dem Wind manchmal richtig zur Sache ging.
Gerade rechtzeitig, am Wochenende vor dem Abflug, erhielten wir noch zwei besonders nette Spielzeuge direkt aus den USA - die neuesten Garmin GPS II + . Ein 12-Kanal-Parallel-Empfänger mit größerer Waypoint- (500) und Track-Datenbank (1024). Und besonders hervorzuheben die lange Lebensdauer (20 Stunden) im Batteriebetrieb mit 4 Mignonzellen (Bordanschluß fast überflüssig). Unsere beiden GPS konnte ich dank Daten-Übertragungsprogramm aus dem Internet (Waypoint+) mit den Flugplatzdaten meiner eigenen Datenbank (Flug- und Segelflugplätze, incl. 76 reinen UL-Geländen und Kurzinfos) füttern. So ist die Routenplanung unterwegs, aber auch die graphische Darstellung im Flug ein Genuß. Auch konnte die nebenstehende Flugroute fast über die gesamte Distanz aufgezeichnet werden (Mithilfe eines Taschencomputers wurde nach der Hälfte der Strecke das GPS seiner Daten erleichtert).
Zum Reiseverlauf: Als Treffpunkt des Spidertrikes aus Ippesheim und meines TwinRacers aus Weser-Wümme war Sömmerda geplant. Aber schon nach meiner ersten Etappe in Peine-Eddesee wurde ich durch den abartigen Spritverbrauch des TwinRacers bei mäßiger Eigengeschwindigkeit von 70 km/h zur Änderung dieses Unterfangens genötigt (Der Luftfilter stellte sich im Laufe der Reise als Ursache für diesen Spritverbrauch heraus und konnte von 18 auf 12 Liter die Stunde reduziert werden).
Mittellandkanal Kreuzung
Also wurde unser Treffpunkt kurzerhand nach Ballensted verlegt. Ich war recht früh dort angekommen und kümmerte mich um Unterkunft (direkt am Platz), Sprit (am nächsten Tag von einer Autotankstelle), Fahrräder für die Fahrt in die 2 km entfernte Ortschaft und natürlich Informationen zu
interrasanten Plätzen auf unserem weiteren Streckenverlauf. Das Spidertrike "schwebte" kurz vor Dienstschluß um 19 Uhr ein. Es hatte die letzten 60 km von Sömmerda in 30 Minuten zurückgelegt, mit der neuen XP12 von AirCreation kein größeres Problem, da sich die Trimmung des Flügels an der Basis befindet. Mit leicht ausgetrockneten Kehlen (der Kiosk am Platz war schon geschlossen) wurden wir nochmals auf eine "harte" Probe gestellt, denn der Weg in die Stadt führte auf einem Feldweg
erst mal steil bergauf, eine Hügelkette zu überwinden. So erfuhren wir am eigenen Leib, wie wenig flach die Ausläufer des Harzes hier waren. Nachdem wir die Kuppe hinter uns gelassen hatten, ging es in Windeseile dem wohlverdienten kühlen Nass und einem Abendessen an diesem lauen Sommerabend entgegen.
Ballenstedt mit Leihfahrrad
Der nächste Morgen kostete uns einige Nerven, der TwinRacer mit Seilzug wollte nicht mehr anspringen. Den ganzen Vormittag setzten wir unsere ganze Energie daran, das Teil wieder zum Laufen zu bringen. Immer wieder wurden die Zündkerzen und Zündfunke kontrolliert, Spritversorgung und Vergaser überprüft, ohne Erfolg, er gab nicht den leisesten "Mucks" von sich. Alle möglichen Startmethoden wurden getestet, mit und ohne Choke und Primer, irgendwie war der Wurm drin. Letzter Versuch, noch mal wurden die Kerzen trocken gelegt und die Mittagspause zum Kräfte sammeln (mental, wie körperlich) genutzt. Und wie durch ein Wunder, mit neuer Energie sprang das inzwischen "verfluchte Ding" an, als wäre nie etwas gewesen. Nachdem ich die Technik begriffen hatte, startete der Rotax auf der ganzen Reise immer beim ersten Mal, ohne Choke (nur dreimal den Primer betätigen, keinesfalls öfters, sonst säuft er ab).
Da wir den Spritverbrauch zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Griff hatten, wurde nach einer für den DULV-Strecken-Pokal günstigen, mindestens 80 km langen sicheren Route gesucht. Unser Etappenziel fiel auf Stendal, einer der unzähligen ehemaligen Militärplätze mit ihren ewig langen Landebahnen. Leider war die Cafeterie nicht besetzt und Sprit gab's nur in Form des teuren Avgas. Und so ging es weiter nach Waren, ein schön am Müritzsee gelegener Grasplatz. Für Übernachtung mit Frühstück direkt am Platz ist bestens vorgesorgt. Wer mehr als einen kleinen Imbiß einnehmen möchte, kann mit einem kleinen Verdauungsspaziergang in der nahegelegene Ortschaft deftig speisen. Der Flugplatz eignet sich sehr gut als Ausgangspunkt für Rundflüge in die nähere landschaftlich sehr reizvolle Umgebung.
Anklam Flugplatz
Nächster Anlaufpunkt war Anklam, die Lilienthal-Stadt, quasi ein Muß, wenn man in dieser Ecke unterwegs ist. Der Flugplatz hat auch für UL'er einiges zu bieten, Autosprit, Unterstellmöglichkeiten, Unterkunft, Fahrradverleih (neuwertig) und kurze Wege zur Stadt und zum Museum.
Wolgast auf Usedom
Damit war der Tag aber noch nicht zu Ende und so brachen wir in Richtung Ostsee nach Peenemünde auf. Das Wichtigste was einem dazu einfällt, ist die ehemalige Erprobungsstelle der V2 und die Ferieninsel Usedom.
Peenemuende Bunkerstellplatz
Das Wetter, dunkle Gewitterwolken im Westen, und der Dienstschluß des Flugplatzpersonals beendeten unsere heutige Etappe (recht früh gegen 17 Uhr), die eigentlich noch nach Stralsund gehen sollte. Aber dafür waren unsere zwei Trikes auch vor fast jeglicher
Katastrophe sicher, denn einem ehemaligen Jet-Bunker kann so leicht nichts erschüttern, und da passen mindestens 10 von unseren Dingern (Trikes) bequem rein, wie für uns geschaffen. Die Flugleitung organisierte gleich eine Unterkunft mit Zubringerdienst, da der Fahrradverleih erst in der Planung ist (ohne ist man hier draußen etwas aufgeschmissen). In der Pizzeria im Ort schauten uns die Badeurlauber ganz ungläubig an, da wir noch in fast kompletter Fliegermontur am Tisch unsere Ziele für den nächsten Tag absteckten. Das die Abende hier oben schon um einiges länger hell sind als in unseren Gefilden in Würzburg, bekamen wir mit als wir uns gegen 10 Uhr abends auf den Heimweg machten und den abgelaufenen Himmel fragend nachsahen und dachten "So ne Spritztour am Ufer entlang wär jetzt doch was schönes".
Sassnitz Neuer Hafen
Aber wir wurden am nächsten Tag mit einer herrlichen Umrundung von Rügen entschädigt. Die Morgensonne zeichnete die Insel mit einigen wenigen Restwolken in eine Bilderbuchlandschaft, die nur durch den neuen Verladebahnhof bei Sasnitz als Hightech-Punkt unterbrochen wurde. Nicht das Kap Ankona war das Highlight, sondern der gesamte Flug an der Küste hätte eigentlich mindestens doppelt so lang dauern müssen.
Prora auf Rügen
Die Steilküste mit den Kreidefelsen, gefolgt von einer langgezogenen Bucht mit Sandstrand und so manch merkwürdigen Gebäudekomplex
(Prora) aus der unrühmlichen Geschichte, bis hinauf zum Kap Ankona, der nordöstlichsten Ecke Deutschlands.
Kreidefelsen Kap Ancona
An der Westküste dann eine Dünenlandschaft, die eine große Vogelschutzzone ist. Hier reiht sich eine Sandbank , egal ob groß oder klein, an die nächste. Und wir flogen auch, bedingt durch die großen Seen dazwischen, entsprechend hoch, um die Tiere, welche wir nur ahnen konnten, nicht unnötig zu erschrecken.
Aber nach gut zwei Stunden ist dieser Rundflug zu Ende und wir landeten in Stralsund, wo uns wieder mit günstigem Mogas weitergeholfen werden konnte. Die Kneipe war zwar gerade ohne Pächter, aber die Vereinsmitglieder sorgten sich nach besten Kräften um unser Wohlbefinden. Da sich von Westen neue Gewitter ankündigten, hieß es schon wieder Abschied nehmen von der faszinierenden Küstenlandschaft der Ostsee und es ging vorbei an Schmoldow, Anklam und Pasewalk auf der einen und das heraufziehende Gewittergebilde auf der anderen Seite, nach Dedelow. Noch bevor wir richtig am Boden waren, öffneten sich schon die Hallentore und unsere Flieger waren wieder sicher vor den dicken Regenwolken untergebracht. 15 Uhr ist ja noch keine Zeit um den Tag einfach abzuhacken, aber als der Wetterfrosch uns erst gegen 18 Uhr die Möglichkeit zum Weiterflug gab, war kein Ziel mehr zu unserer Ankunftszeit besetzt. Also blieben die Geräte in der neuen Halle und wir speisten und nächtigten gut in der angrenzenden Pension. Ein Motorseglerteam aus Bautzen ereilte das selbe "Schicksal" auf ihrer Spritztour, und so war der Abend mit dem entsprechenden Erfahrungsaustausch besiegelt Sache.
Schiffshebewerk an der Oder
Heute sollte ein Marathontag werden, da wir ein gutes Stück Richtung Süden uns zum Ziel gesteckt hatten. 9 Flugplätze waren es am Ende. Eggersdorf wäre dabei zu erwähnen, von dem aus die UL-Rally Märkische Schweiz ausgeht, Fürstenwalde, wo uns die Flugleitung die Stempel fürs Flugbuch gleich ans Taxiway brachte, Görlitz als östlichster Flugplatz der Republik, Bautzen-Klix die gerade ihr Flugplatzfest beendeten und nicht zuletzt die Abendstimmung um Dresden mit der abschließenden zielgenauen Landung in Mohorn, dank unserer neuen Garmin GPS II plus Geräte. Nun wir sind schon navigatorisch schwierigere Strecken ohne GPS-Unterstützung geflogen, aber so ein Wunderding läßt das Mitplotten auf der Karte zur angenehmen Nebensache werden, "Genießen pur - mit Sicherheit".
Mohorn war jedoch das teuerste Pflaster, was die Übernachtung betraf. Es ist an diesem Tag recht spät geworden, und bis die Geräte für die Nacht hergerichtet waren, brach auch schon die Dämmerung herein. So waren wir froh, überhaupt noch ein Quartier im Ort zu bekommen. Nach diesem anstrengenden Flugtag hatten wir eigentlich auch nicht vor unsere Notunterkunft, das mitgeführte Zelt, auszuprobieren. Dafür gab es am nächsten Morgen, nach ausgiebigem Frühstück, auch für unsere Trikes einen kräftigen Schluck Autosuper und die Ölreserven wurden günstig aufgefrischt.
Vorbei an Langhennersdorf, Chemnitz-Jahnsdorf und Hartenstein kamen wir nach Auerbach, der vorletzten Station vor unserem Heimatstützpunkt Ippesheim. Irgendwo hatten wir aufgeschnappt, wir könnten in Coburg-Brandensteinsebene zwischenlanden, und es war auch wirklich nichts los an diesem Montag Mittag, aber wieder zurück im Westen, war es mit der Großzügigkeit vorbei, ein Überflug ja, aber eine Landung wurde uns nicht genehmigt. Also weiter Richtung Ippesheim oder doch einen kurzen Abstecher nach Coburg-Steinsrücken, wo wir freundlicher empfangen wurden. Die letzte Etappe war dann nur noch ein reines Heimspiel.
Den ersten Teil unserer Deutschlandtour hatten wir hinter uns, aber wir wollten ja weiter Richtung Deutsche Meisterschaft in Sonnen bei Passau. Für diese Aufgabe wechselte ich auf ein weiteres Spidertrike der UL-Flugschule von Peter
Götzner.
UL-Platz Ippesheim
Die Etappe war fast ein Katzensprung zu so manch anderem Tag vorher, aber der Wettermann aus München prophezeite uns sehr kräftige Regengüsse für das betreffende Gebiet, empfahl uns aber den nächsten Tag für den Flug. Diese Entscheidung war leider ein katastrophaler Fehlgriff, den am Dienstag war es, wie wir später erfahren haben, auf der gesamten Strecke der beste Tag der Woche und der Folgetag genau das Gegenteil. Aber das wußten wir zu der Zeit natürlich noch nicht und so bereiteten wir uns mit einigen Notlandeübungen in Ippesheim auf die Meisterschaft vor. Tja am nächsten Morgen dann also wirklich kräftige Regenschauer, die eigentlich am Vortag weiter südlich durchziehen sollten - "Nobody is perfekt".
Nachdem zu Mittag keine Wetterbesserung erkennbar war, planten wir schon mal mit dem Schlimmsten - Autotransport - um termingerecht in Passau zu sein. Als wir um 16 Uhr auf den Flugplatz zum Abbauen fahren wollten, riefen wir
noch mal das Wetter, diesmal in Frankfurt an. Und siehe da, der Wettergott hatte ein Einsehen, die Rückseite der Front befindet sich bereits auf der Höhe Würburg und zieht recht schnell weiter nach Osten. Also Umdisponieren und eventuelle Ausweichplätze auf der Strecke abfragen. So gebrieft empfingen uns die ersten Sonnenstrahlen schon am Flugplatz. Der kräftige Rückenwind beschleunigte unser Vorankommen enorm und das schöne Wetter blieb uns bis hinter Nürnberg treu. Bis auf ein paar wenige Regentropfen in Höhe Deggendorf kamen wir trocken ans Ziel.
Der Rückflug nach drei Tagen Deutscher Meisterschaft sollte etwas feuchter verlaufen. Die erste Etappe bis Griesau war noch ganz normal. Aber schon beim Auftanken fielen die ersten Tropfen und der weitere Weg nach Thalmäßing ging mitten durch ein kräftiges aber kurzes Regengebiet. Dort angekommen, wurden wir schon wieder von den ersten Sonnenstrahlen empfangen, welche uns bis Ippesheim begleiten sollten.
Ein weiterer Abschnitt unseres Deutschlandfluges ging zu Ende, denn die letzte große Etappe zurück nach Bremen flog ich allein mit dem TwinRacer. Die Wetteraussichten waren nicht die besten, aber ich wollte noch etwas vorankommen, und dabei hatte ich zumindest vom Wind her eine gute Unterstützung. Mit fast 100 km/h im Schnitt lies ich die anfangs noch dicken und dunklen Regenwolken hinter mir. In Eisenach, Tankstopp, bekam ich gleich einen Stellplatz in der supermoderne Flugzeughalle. Nach einem kleinen Imbiß ging es weiter dem Werratal entlang Richtung Höxter. Durch den schnellen Wechsel von Sonne und Wolken erschienen die Höhenzüge immer wieder in neuem Licht und Schatten. Dieses eindrucksvolle Spiel wurde dann kurz vor Höxter doch durch einen richtigen Regenschauer unterbrochen. Zwar landete ich wieder trocken in Höxtern, aber von da an ging es mit dem Wetter bergab. Ein Weiterflug nach Bremen wäre ein ziemlich feuchtes Unterfangen geworden, zudem war dort sehr kräftiger Seitenwind angesagt, und damit wäre es vom Spritverbrauch her eng geworden.
Da sich auch am nächsten Tag nichts Entscheidendes am Wetter ändern sollte, endet hier mein / unser Flug "Kreuz und quer durch Deutschland". Wenn es uns auch manchmal sicher länger an einem Ort gehalten hätte, so haben wir doch eine Menge neuer Plätze und die verschiedensten Landstriche Deutschlands kennenlernen können. Und wenn jetzt diese Reisebeschreibung einige ermuntert, ihre heimatlichen Gefilde zu verlassen und etwas ähnlich Neues zu erkunden, so geht uns unser Gesprächsstoff beim nächsten gemütlichen Abend sicher nie aus.
Flugdaten:
14 Tage unterwegs
2500 km Flugstrecke
37 Stunden in der Luft
30 Flugplätze
etliche Liter Sprit und ein paar Dosen Öl
viele Bilder und noch mehr Erinnerungen