Ostseewanderung, im zweiten Anlauf hat es geklappt
Ostsee/Rügen Pfingsten 1999 von Viktor Wyklicky
Nachdem wir im letzten Jahr unserer Planung komplett nach Baden und Bayern verlegen mußten und daraus die Südtour wurde, waren wir im zweiten Anlauf wesentlich erfolgreicher.
Flugroute an die Ostsee bis nach Rügen (Details: Auf die Grafik klicken)
Natürlich war die Frage des Wetters der (fast) alles bestimmende Faktor. Mit unseren Trikes wollten wir natürlich nicht unbedingt im trüben Regeneinerlei fliegen und nach Möglichkeit die Geräte bei einer Schlechtwetterfront geschützt unterbringen. Im nachhinein betrachtet hatten wir dazu nur einmal wirklich Anlaß, als eine angekündigte Gewitterfront über uns hinweg zog. Aber hinterher ist man bekanntlich immer viel schlauer.
Nach den Unmengen an Regenfällen vor Pfingsten konnte es eigentlich nur bergauf gehen und ein stabiles Hoch über der gesamten Republik gibt es auch nicht alle Tage. Als wir uns am Pfingstsonntag auf dem UL-Flugplatz in Ippesheim bei Würzburg versammelten, waren wir noch etwas skeptisch bezüglich der positiven Prognosen unserer Wetterfrösche. Was erwartet uns für ein Wetter Mitte der Woche an der Ostsee und kommen wir auch ohne Sichtbehinderung wieder zurück über den Thüringer Wald, und, und, und.
Nun am Pfingstmontag startete also eine Mannschaft mit sechs zumeist Spider-Trikes, sowie ein Storch (Dreiachser) mit Fluglehrer und Schüler gegen Norden. Angemeldet hatten wir uns am Vorabend am Dolmar und in Bad Salzungen. Am frühen Nachmittag ging anschließend über die Wartburg bei Eisenach auf die Nordseite des Thüringer Waldes nach
Crawinkel. Ein recht neuer Platz mit intensiven Hängegleiter- und Gleitsegelschlepp, aber auch einem gemütlichen Restaurant für den Hunger zwischendurch.
Erste Station für zwei Nächte - Weimar
Das Begleitteam hatte es nicht immer leicht hinterher zukommen
Unser erstes Etappenziel war mit Weimar nicht mehr weit entfernt. Der Platz mit UL-Dreiachserschulung hatte für uns neben Sprit und Zeltplatz auch genügend Platz, um alle Trikes vor einer angekündigten Störung (Kaltfront, welche jedoch nicht bei uns ankam) sicher unterzubringen. Der dann organisierte Grillabend mit
Original Thüringer Bratwürsten war schon von der Seite her ein voller Erfolg. Nur aus dem geplanten Dreiecksflug über Zwickau und Böhlen wurde ein Zielrückkehrflug nach Zwickau. Man nutzte den angebrochenen Nachmittag zum Relaxen und für Einstell- und Wartungsarbeiten, bzw. für Platzrunden mit dem Schüler. Weimar und das nahegelegene KZ-Buchenwald gaben einem Anlaß zum Nachdenken über unsere jüngere Vergangenheit.
Der Tagebau um Leipzig sollte uns auf unserer Rückreise noch mal die Erdmassen die dort bewegt wurden,
näher bringen.
Zwischenstopp in Oehna hat Mogas, Unterkunft und Stellplätze
Ein recht beliebtes und empfehlenswertes Ziel, war der Zwischenstop in Oehna mit Flugplatzrestaurant, Sprit (Super bleifrei) aus der Tankstelle und bei Bedarf Unterkunft direkt am
Taxiway.
Bei Potsdam mit den unzähligen Schlössern und Schlößchen gibt es nur einen Weg – mittendurch und hoch bleiben
Vorbei an weiteren Ex-Militärplätzen, erhofften wir uns über Potsdam einen Blick Richtung gerade neu eingeweihten Bundeshauptstadt Berlin. Dies sollte uns jedoch wegen der etwas diesigen Sicht verwehrt bleiben. Dafür konnten wir uns über Potsdam nicht vor Schlößchen und Schlössern erwehren. Nur die Streckenplanung hatte einen Wehrmutstropfen – möglichst hoch – Stadtgebiet und Wald ließen einem keine andere Wahl und von oben waren wir durch die Kontrollzone über Berlin beschränkt.
Mittagspause in Bienenfarm – für ein Nickerchen ist immer Zeit
Nächstes Ziel Bienenfarm war als Schlechtwetterplatz mit Hallenunterstellmöglichkeit geplant, aber die Wetterprognosen waren so gut, daß wir unser eigentliches Ziel in Waren ansteuern konnten. Dort wurde unser Aufenthalt jedoch durch eine Mückenplage erschwert. Die Stiche waren teilweise so aggressiv, daß ein Pilot zur Behandlung seiner Hand vorsorglich ins Krankenhaus fuhr. Die Plagegeister beschränkten sich jedoch im wesentlichen auf die frühen Abendstunden.
Der Höhepunkt unserer Reise sollte am darauffolgenden Tag die Insel Rügen darstellen. Die Routenplanung gestaltete sich etwas schwierig, weil der natürlich sehenswerte Platz auf Rügen Güttin keine UL Berechtigung besaß und mit sieben Maschinen mit Motorproblemen landen wäre doch etwas herausfordernd.
Flugplatz Barth mit Kontrollzone – nur der Schneepflug stand bei uns nicht im Mittelpunkt
Anklam und die Plätze auf Usedom waren etwas zu weit vom Kurs, nahmen wir also Barth ins Visier. Mit HX-Kontrollzone auch wieder etwas Neues. Land- und Seewind, sowie das
beste Licht beim Umrunden von Rügen wurden berücksichtigt und so starteten wir relativ spät
erst mal Richtung Barth. Der Anflug ohne fremden Verkehr war keine Besonderheit, dann schon eher die Landung eines Learjets als wir gerade auf dem Tower unser Stempel für den DULV-Streckenpokal abholten. Da war richtig was los, bis die Maschine dann direkt vor dem Tower in Parkposition ging und der Pilot seine Slots für den Weiterflug bekam. Die Maschine kam aus Frankfurt und hatte so eineinhalb Stunden Verspätung, eine Stunde bis sie überhaupt losrollen durfte und nochmal knapp 30 Minuten am Rollhalt, Auswirkungen durch die Militäraktionen im Kosovo.
Mittagspause am Hafen von Barth – strahlender Sonnenschein
Wir hatten uns ein Sammeltaxi bestellt und wollten erst mal Mittagspause in Barth direkt am Hafen machen. In einer gemütlichen Marina-Kneipe ließen wir es uns
gut gehen, die meisten natürlich mit Fisch, den wir am Vorabend nicht mehr auf der Speisekarte fanden.
Nach gut drei Stunden Aufenthalt und als wir uns über die weitere Flugroute einig waren ging es via Stralsund und Überflug von Güttin zu den Kreidefelsen an der Ostspitze von Rügen.
Rügen von seiner besten Seite – Sommer, Sonne, Strand
Bestes Flugwetter für einige Schnappschüße von Fliegern und Küste waren angesagt. Es folgten die alte Hafenstadt Sassnitz mit dem neuen Verladebahnhof einige Kilometer westlich. Und dann der unvollendete kilometerlange Bau, die Prora, ein im dritten Reich als Erholungsort geplantes monströses Bauwerk. An Binz vorbei war der letzte östlichste Punkt das Seebad Sellin als Wendepunkt Richtung Schmoldow angesagt. Beim Rückflug an der Südküste Rügens ging es nochmals mit einem kleinen Hüpfer übers Meer zum Festland. Der etwas holprige Grasplatz in Schmoldow war zum Nachtanken vorgesehen, jedoch ein recht frischer Wind trieb uns nachher zügig nach Waren zurück.
Die Begeisterung über diesen phantastischen Flug konnte man jedem in den Augen ablesen und wir ließen den Tag mit einem deftigen Mahl in der Altstadt von Waren ausklingen. An diesen Tagen im hohen Norden konnten wir nicht nur die schöne Landschaft genießen, sondern wurden auch mit der sehr direkten Art der Menschen vor Ort bekannt gemacht, die für uns doch etwas neu war. Als Ausgangspunkt für einen längeren Aufenthalt ist Waren sicher immer noch ein hervorragender Ausgangspunkt, jedoch anders als vor zwei Jahren ist der Platz nicht mehr ständig nach Voranmeldung besetzt. Anklam würde sich hier besser eignen, ist aber wie die Plätze auf Usedom und Barth schon etwas mehr von der Lage her begrenzt. Aber auch von dort kann man noch vieles Erkunden.
Die Wetterprognosen für den Rückflug über den Harz machten ein Umplanen notwendig – eine kräftige Gewitterstörung von Südwesten und Westen setzte neue Maßstäbe – ein sicheres Unterkommen am Zielpunkt war gefragt. Also wer hat Unterstellplätze – die bisher ins Auge gefaßten Plätze jedenfalls nicht, aber ein Hinweis aus
Halle-Oppin wurde weiter verfolgt – erkundigt euch doch mal in Brandis. Gesagt getan, wenn auch mit etwas gemischten Gefühlen, den in meiner Flugplatzliste war Brandis bei Leipzig erst vor kurzem als geschlossen rausgefallen und keine Infos zu UL-Betrieb. Aber siehe da die prophezeiten Hallenplätze waren vorhanden und so konnten wir unbeschwert gegen Süden fliegen. Die erste Strecke bis Stendal war trotz auffrischendem Gegenwind noch recht gut zu bewältigen. Stendal, einer der weiter in Betrieb befindlichen ewig langen Ex-Militärplätze, die man einfach mal angeflogen haben muß. Die Sonne stach schon recht giftig zur Erde und man war froh in dem netten Kaffee einen Schattenplatz zu finden. Ein Start auf dem Taxiway
wäre bei dem Crosswind fast die beste Lösung gewesen, aber zumindest der lange Rollweg ans andere Ende des Flugplatzes blieb uns erspart und wir konnten auch danach gleich Richtung Süden abdrehen.
Weitere, allerdings aufgelassene Ex-Militärplätze wie Mahlwinkel und Zerbst mit ihren kilometerlangen Bahnen zogen unter uns vorbei und auch einen Blick auf die Grasbahn von Burg bei Magdeburg konnten wir genießen, wenn da nicht die, durch die gnadenlos aufheizende Sonne, heftige Thermik unsere kleinen Luftgeräte zum Spielball werden lies. Als wir uns in Dessau schon auf eine weitere wohlverdiente Pause, auf dem in Schwung kommenden Flugplatzfest freuten, war Hektik angesagt. Die Meteorologen gaben uns nur 20 Minuten Pause um unseren Flug weiter nach Brandis sicher durchzuführen. Die Gewitterfront war bereits in Erfurt. Also als erstes den Sprit kontrollieren und nachfüllen und dann die letzte Etappe mit Ausweichmanövern durchsprechen.
Es ging weiter über Bitterfeld nördlich an Leipzig vorbei. Bitterfeld, die Chemiemetropole des Ostens muß man gesehen haben um mitreden/fühlen zu können, wenn hier von Wiederbelebung der Landschaft geredet wird. Stillgelegte Tagebaugebiete und zum Teil verfallenen Industrieanlagen soweit das Auge bei dem Dunst sehen kann.
Halle in Brandis, Baujahr Drittes Reich und massig Platz
In Brandis angekommen dürfen wir doch einmal die Weite eines riesigen Militärareals kennen und rollen lernen. Aber der Wind ist fast eingeschlafen und so macht das weniger Probleme. Wir werden zu einer riesigen ehemaligen Jet-Halle gelotst. Und als wir vor bzw. in ihr stehen, meint einer doch glatt: Hier könnte man mit PPG wirklich Trocken-Training veranstalten und dazu müßte man die Halle noch nicht mal ausräumen. Die Bodencrew hatte inzwischen auch schon Unterkünfte der besonderen Preiskategorie organisiert, nachdem keiner bei dem angekündigten Gewitter eine Nacht sein Zelt aufschlagen wollte. Wir waren doch etwas überrascht was hier noch als Privatzimmer angeboten worden ist. Aber wir waren allesamt so müde von dem turbulenten Flug und den vielen Eindrücken, daß uns dieser Umstand, zumal für eine Nacht kaum noch störte.
Es ist Samstag, die Gewitter waren in der Nacht noch recht kräftig durchgezogen und unser letzter Flugtag war angebrochen. Er führte uns zuerst nach Auerbach im Vogtland. Ein paar wenige Restwolkenschleiern beeinträchtigten noch die Fernsicht, das sollte sich aber am Nachmittag beim Flug nach Herzogenaurach auch noch legen. Wir umflogen Hof im Osten und konnten wieder den ehemaligen Grenzverlauf nachzeichnen. Entlang der Nordausläufer des Fichtelgebirges ging es nach Bayreuth und weiter an Burg Feuerstein vorbei ins
Wiesental. Im Anflug auf Herzogenaurach mußte die Flugleitung erst mal überlegen, ob sie die sieben Geräte auch vernünftig abstellen konnte. Wie gut, daß man Trike so problemlos ineinander schachteln kann und so die Sorgen des Flugleiters lösen konnten. Beim Vorbeigehen an der Kuchentheke war klar, bei der noch anstehenden Etappe von knapp 50 km war das die richtige Überbrückung bis zu unserem Ziel- und Ausgangsort in Ippesheim. Dort angekommen wurde der laue Sommerabend mit einem schönen Grillfest und vielen Erzählungen zu unseren Flugerlebnisse abgeschlossen.
Nach fast 2000 km Deutschlandtour bei einem so perfekten Wetter und so vielen Sehenswertem war dieser Abschlußabend sicher nur der Auftakt für viele Momente, die man sich gerne an eine solche Flugwanderung zurückerinnern wird (und das fast nach Plan).